Am 9. Juni stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung vermutlich über das wichtigste Energiethema der vergangenen 20 Jahre ab, das Stromgesetz. Die Vorlage ist für die Umwelt und die Energiesicherheit der Schweiz noch wichtiger als die Energiestrategie 2050. Ein Überblick zur kommenden Abstimmung.
TEXT: Lukas Meister; FOTOS: clevergie AG, Adobe Stock, Taljat
Der steigende Strombedarf und die geplanten Ausserbetriebnahmen der verbleibenden Kernkraftwerke erfordert einen raschen Ausbau der inländischen Stromproduktion. Mit jeder Wärmepumpe, die in Betrieb geht und jedem Auto, das elektrisch fährt, steigt die Nachfrage nach sauber hergestelltem Strom, wenn möglich «Made in Switzerland». Vielerorts sind Projekte in der Pipeline und werden jedoch blockiert oder durch Einsprachen verzögert. Mit einem JA zum Stromgesetz können beispielsweise 16 «pfannenfertige » Wasserkraftprojekte von nationaler Bedeutung umgesetzt werden.
MEHR STROM IM WINTER NÖTIG
Die Schweiz braucht im Winter mehr Strom als im Sommer, dies war schon immer so. Mit der Umstellung auf Wärmepumpen akzentuiert sich diese Situation noch zusätzlich. Die Wasserkraftwerke, welche rund die Hälfte des Schweizer Stroms produzieren, erzeugen jedoch aufgrund der Schneeschmelze vor allem im Sommerhalbjahr Strom. Auch das war schon immer so. Mit der Vorlage zum Stromgesetz soll nun die Winterproduktion von einheimischem Strom um 6 TWh ausgebaut und den Richtwert von 5 TWh Importsaldo im Winter nicht überschritten werden. Aber wie viel ist das eigentlich? Der gesamte Stromverbrauch der Schweiz beträgt rund 60 TWh, der Importsaldo würde somit auf ca. 8 Prozent des Gesamtverbrauchs limitiert.
Lukas Meister plädiert für ein JA zum Stromgesetz am 9. Juni 2024.
«Mit erneuerbaren Energien erhöhen wir unsere Versorgungssicherheit und werden unabhängiger vom Ausland.»
KEINE ZUSÄTZLICHEN ABGABEN
Eine Annahme des Stromgesetzes hat keine zusätzlichen Abgaben zur Folge. Im Gegenteil: Wenn die Schweiz ihre Abhängigkeit im Strombereich reduziert und vor allem im Winter mehr produziert, verringern sich die Kosten für teure Notfallmassnahmen, welche letzten Endes die Konsumentinnen und Konsumenten bezahlen müssten.
WAS WÄRE BEI EINER ANNAHME DES STROMGESETZES NEU MÖGLICH?
Das Stromgesetz sieht vor, dass sich Nachbarn zu sogenannten «Lokalen Elektrizitätsgemeinschaften » (LEG) zusammenschliessen können. Vorbild hierfür ist Österreich, wo dieses Modell bereits etabliert ist. Ganz konkret können mit solchen LEGs beispielsweise Produzenten von Solarstrom ihre überschüssige Energie an Nachbarn verkaufen, und dies ohne zusätzliche Leitungen zu bauen und ohne anfallende Kosten. Sogar über die Nachbarschaft hinaus könnten sich innerhalb einer Gemeinde Produzenten und Konsumenten zu solchen LEGs zusammenschliessen. Dies erhöht den Eigenversorgungsgrad und die Versorgungssicherheit, wenn Energie möglichst dort produziert wird, wo sie auch gebraucht wird.
«Mit einem JA zum Stromgesetz lässt sich die Versorgungssicherheit der Schweiz erhöhen und die Abhängigkeit vom Ausland verringern. »
WER IST DENN GEGEN DAS STROMGESETZ?
Gegen das Stromgesetz hat die «Fondation Franz Weber» und mehrere kleine Umweltschutzbündnisse das Referendum ergriffen. Die grösseren Umweltverbände wie der WWF sowie praktisch alle Parteien unterstützen das Stromgesetz. Die SVP ist gespalten, die Bernische Sektion ist ebenfalls für das Stromgesetz. Das Referendumskomitee befürchtet eine Verschandelung der Landschaft durch zusätzliche Wasserkraft- und Windkraftprojekte. Es scheint, als wolle man zurück zur Natur, aber dann doch lieber nicht zu Fuss.