Stromknappheit, Teuerung und Fachkräftemangel: Das war das 2023. Die Solarlehre, effiziente Planung und gesetzliche Anpassungen: So wird 2024.
TEXT: Lukas Meister; FOTOS: Joël Jakob & ZVG
Die Medien waren in den vergangenen 2 Jahren mit Energiethemen voll und kaum ein Thema war derart präsent im täglichen Newsfeed. Die Nachfrage nach Energieprojekten dementsprechend hoch. Wo man hinschaut, stehen Baugerüste für die Montage von PV-Anlagen und der Anzeiger ist voller Baugesuche für Wärmepumpen. War dies eine einmalige Sache oder wie geht es weiter? Zum ersten Mal in der Geschichte der Photovoltaik wurden Komponenten im vergangenen Jahr teurer; bis anhin sind sie eigentlich immer nur günstiger geworden. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Weltweit ist die Nachfrage nach erneuerbarer Energie geradezu explodiert. Die Hersteller von Komponenten hatten monatliche Bestelleingänge zu verzeichnen, die praktisch die Kapazität eines ganzen Jahres ausfüllten. Wechselrichter, Batteriespeicher und Wärmepumpen waren über Monate kaum lieferbar, die Lieferfristen teilweise länger als ein Jahr. Auf der Gegenseite hat sich das Thema Stromknappheit etwas beruhigt, die schlimmsten Befürchtungen sind nicht eingetreten. Aber ist denn nun wieder alles beim Alten? Wir wagen einen Ausblick ins 2024.
FACHKRÄFTEMANGEL:
WIRD DER MONTEUR BALD TEURER ALS DER ARZT?
Die Liefersituationen für Materialien entspannen sich auf dem Markt zunehmend. Gerade im Energiesektor ist eine Beruhigung spürbar. Auch die Preissituation entspannt sich zunehmend. Und dennoch geht die Realisierung von Energieprojekten noch eher schleppend vorwärts. Limitierende Faktoren sind die qualifizierten Mitarbeiter, welche sich die Hände schmutzig machen. Rohre montieren, Gestelle anschrauben, Kabel verlegen, Steuerungen in Betrieb nehmen. Betrachtet man die sogenannte Sanierungsrate der Haustechnik – also wie lange es geht, bis Bauteile ersetzt werden – so ist diese Sanierungsrate für die Ziele der Energiepolitik noch viel zu niedrig. Gute Handwerker werden zum Glück wieder viel mehr geschätzt, und im warmen Büro verdient man nicht mehr zwingend per se den höheren Lohn. Gerade im Bereich der Photovoltaikanlagen gilt es zusätzlich zu beachten, dass im Moment praktisch nur Neuinstallationen getätigt werden. Service, Unterhalt und Ersatz von Anlagen, die in die Jahre gekommen sind, kommen erst noch auf die Branche zu. Erste PV-Anlagen kommen in ein Alter, in dem sich ein Ersatz beispielsweise der Solarmodule lohnen könnte. Für diese Arbeiten wird jedoch eine hohe Qualifizierung von Fachkräften nötig sein, doch woher nehmen und nicht…
DIE LEHRE KOMMT!
…stehlen? Nein, ausbilden heisst die Devise. Inhaltlich ein sehr spannender Beruf mit viel Abwechslung und nichts für Stubenhocker, bietet der «Solarinstallateur EFZ» eine Perspektive in einem dynamischen und zukunftsweisenden Geschäftsfeld. Lernende Solarinstallateur:innen können ab Herbst 2024 einen Beruf erlernen, den es bisher gar nicht gab. Die ganze Branche stellte sich in den vergangenen Jahren aus Quereinsteigern zusammen. Dass es nun eine Berufslehre gibt, bei der man von Grund auf die Anforderungen an eine Gebäudehülle, elektrische Grundlagen sowie technisches Knowhow erlernt, bildet einen Meilenstein in der Generationenaufgabe Energiewende. Im Kanton Bern werden mehrere Firmen Lehrstellen in diesem Gebiet anbieten, auch die Firma clevergie ag in Wyssachen.
NEUE TRENDS UND TECHNIK
MIT SICHERHEIT SCHLAGKRÄFTIGER
Woher weiss man eigentlich, wie gross ein Dach ist? Ob vier oder fünf Solarmodule Platz finden ist manchmal eine Frage von Zentimetern. Mussten früher unter Lebensgefahr auf dem Dach Masse aufgenommen werden, geschieht dies heute mit Drohne. Mit einer herkömmlichen Drohne können zwischen 30 und 100 Bilder von einer Liegenschaft erstellt und mit intelligenter Software ausgewertet werden. Diese Grundlagen ermöglichen es, eine möglichst hohe Planungssicherheit. Die Vorfertigung auf einer guten Datenbasis ermöglicht es, Arbeitsschritte in der Werkstatt zu erledigen, die früher auf der Baustelle gemacht wurden. So ist es in der Zwischenzeit möglich, z. B. Aluprofile bereits fertig zugeschnitten mitzunehmen, ohne dass Frässpäne mühsam aus dem Kundengarten zusammengesaugt werden müssen. Die Vorarbeiten durch eine hohe Vorfertigung spart Kapazitäten auf der Montage und macht die Profis auf dem Bau schlagkräftiger – und sicherer.
LEG:
EINE HALBE LIBERALISIERUNG DES STROMMARKTS?
National- und Ständerat haben in der vergangenen Amtsdauer ein Paket verabschiedet, in welchem die Grundlage für sogenannte LEG geschaffen wird. LEG bedeutet «Lokale Elektrizitäts-Gemeinschaft». Diese sieht vor, dass Strom innerhalb einer Region ausgetauscht werden kann. Voraussichtlich ab 2026 wird man sich somit mit anderen Produzenten oder auch Verbrauchern in einer definierten Region zusammenschliessen und Strom tauschen können. Hierzu wird man das öffentliche Verteilnetz nutzen können, die Energie jedoch nicht zwingend vom lokalen Energieversorger abnehmen müssen. Auch überschüssige Energie kann mit diesem Modell an andere Verbraucher als den lokalen Energieversorger verkauft werden. Bleibt zu hoffen, dass diese LEG, wenn sie schon gleich heissen wie die englischen Beine, die Energiewende auch in grossen Schritten vorwärts bringen und die gesetzlichen Regulatorien nicht mit Stolpersteinen gespickt werden.