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Energie 2050 – wer soll das bezahlen?

Energie Blog - Indachanlage

Einige Gedanken zu den aktuellen Herausforderungen im Energiesektor: Woher soll der Strom für Heizung und Mobilität kommen und wie viel kostet das? Ein Vergleich zeigt: Das ist machbar und halb so schlimm.

TEXT: LUKAS MEISTER

Neue Erneuerbare!» Bis 2050 sollen sie fast die Hälfte der Stromproduktion in der Schweiz liefern. So zumindest will es der Bund. Die Solarenergie, plus ein paar Wind- und Biogaskraftwerke sollen es bringen. Das Potential ist vorhanden. Es gibt genügend leere Dächer, Fassaden, Parkplätze und Balkongeländer. Doch wer soll dies bezahlen?

Das Volk hat im Jahr 2017 deutlich Ja gesagt zur Energiestrategie des Bundes und damit indirekt den Ausstieg aus der Kernkraft besiegelt. Ein erster Meilenstein dieses Technologiewandels stellt der Rückbau des Kernkraftwerks Mühleberg dar, womit jedoch rund 5 Prozent der Schweizer Stromproduktion wegfallen. Im Zuge der Diskussionen um Strommangellagen und Versorgungssicherheit vergisst man gerne, dass ca. zwei Drittel des Schweizer Energieverbrauchs gar nicht in Form von Strom geschieht, sondern als Erdöl, Erdgas, Benzin, Diesel oder Kerosin.

Energie Blog Grafik
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Bei diesen zwei Dritteln sind wir praktisch zu 100 Prozent vom Ausland abhängig. Derzeit würden ohne fossile Energie nur wenige Autos fahren, keine Flugzeuge fliegen und gut die Hälfte aller Schweizer Gebäude kalt bleiben. Wir stehen also nicht primär vor der Herausforderung, den wegfallenden Strom der Kernkraftwerke durch andere Technologien kompensieren zu müssen, sondern hauptsächlich vor der Mammutaufgabe, rund zwei Drittel der Schweizer Energieversorgung komplett umzukrempeln.

MEINE HEIZUNG: ZUKÜNFTIG GRÖSSTER STROMVERBRAUCHER?

Meistens bedeutet der Ersatz der Öl- oder Gasheizung einen Umstieg auf eine umweltfreundlichere Wärmepumpe. Pro 1000 Liter Erdöl, die durch eine Wärmepumpe ersetzt werden, entsteht ein zusätzlicher Strombedarf von rund 3500 kWh Elektrizität. Dieser zusätzliche Stromverbrauch entspricht ungefähr dem Strombedarf eines Haushaltes pro Jahr, der für Beleuchtung, Küche, Wäsche und Unterhaltung ohnehin benötigt wird. Mit anderen Worten verdoppelt sich in einem Einfamilienhaus mit dem Wechsel des Heizsystems der Stromverbrauch pro Jahr. Dies führt dazu, dass wir insgesamt mit steigendem Stromverbrauch rechnen müssen. Diesen Strom im Inland herzustellen, statt Erdöl und Erdgas aus Schurkenstaaten zu importieren, erscheint jedoch als erstrebenswertes Ziel. Dass viele Gebäude in den nächsten Jahren sowieso modernisiert und besser gedämmt werden müssen, spielt bei diesen Überlegungen ebenfalls eine wichtige Rolle.

TANKST DU NOCH ODER LÄDST DU SCHON?

Bereits im 2022 waren rund 25 Prozent der Neuzulassungen Fahrzeuge mit einem Stecker: Reine Elektroautos (16.6 Prozent) oder zumindest PlugIn-Hybride (8.1 Prozent). Die Zeichen der Zeit stehen klar in Richtung Elektrifizierung der Antriebe. Für den Elektromotor sprechen viele Argumente, allen voran der Wirkungsgrad. Benzin- und Dieselautos sind im Vergleich fahrende Heizungen, geht doch der Grossteil der Energie in Form von Abwärme verloren. Dem gegenüber wird fürs elektrische Fahren viel weniger Energie benötigt als bei Verbrennern. Ein durchschnittlicher Verbrauch eines Elektroautos sind ca. 20kWh Strom pro 100km. Ein Verbrauch von 8 Liter Benzin entspricht hierbei rund 80kWh Energie pro 100km oder das Vierfache. Nun stellt sich die Frage, ob es möglich wäre, alle Autos der Schweiz elektrisch zu betreiben und den Strom dazu selber herzustellen. Als Einfamilienhausbesitzer ist diese Frage einfach zu beantworten. Durchschnittliche 15’000 km Fahrleistung entsprechen einem Stromverbrauch des Autos von rund 3000 kWh pro Jahr. Soll diese Energie mittels Photovoltaikpanels erzeugt werden, genügen dazu rund 18 m2 Dachfläche. Da das Auto allerdings tagsüber nicht immer zu Hause steht, kommt diese Überlegung vor allem bei Firmengebäuden zum Tragen. Dies bedeutet, dass zukünftig dort Strom produziert werden sollte, wo die Autos tagsüber stehen und geladen werden können.

Der gesamte Stromverbrauch, wenn alle Schweizer Autos elektrisch fahren würden, wäre rund 19 Prozent höher als der heute ohne Elektroautos. Mit diesem Mehrverbrauch liessen sich jedoch Treibstoffimporte in Höhe von 13 Milliarden pro Jahr vermeiden, wiederum Ausgaben der Schweiz, welche zu einem Grossteil in fragwürdige Nationen fliessen.

WER SOLL DAS BEZAHLEN?

Wollen wir in der Schweiz eine Energieversorgung mit hohem Eigenversorgungsanteil gewährleisten, so müssen vor allem die Bereiche Gebäude und Mobilität angegangen werden. Dass die hierzu benötigte Energie grösstenteils mittels Strom bereitgestellt würde, ist aus heutiger Sicht absehbar. Doch um diese Ziele zu erreichen, müsste ungefähr die Hälfte aller geeigneten Dächer und Fassaden mit Solarpanels ausgestattet werden.

«Mit 19 Prozent Strom-Mehrverbrauch liessen sich Treibstoffimporte in Höhe von 13 Milliarden Franken pro Jahr vermeiden»

Diese Investitionen in umgerechnet 40 Gigawatt (240 Millionen Quadratmeter) Solaranlagen betrügen geschätzte 80 Milliarden Schweizer Franken. Mit dieser Investition könnte das Energiesystem der Schweiz nachhaltig umgebaut werden. Wer das bezahlen soll? Mit dieser Investition spart die Schweizer Bevölkerung jährliche Ausgaben in Höhe von 13 Milliarden ans Ausland. Die Investition wäre vereinfacht betrachtet somit innerhalb gut 6 Jahren amortisiert und das Geld und die zugehörigen Arbeitsplätze würde ab da in der Schweiz bleiben. Etwas vertieft betrachtet, müsste man von 900 000 Gebäuden in der Schweiz ausgehen, die mit Solaranlagen ausgestattet werden sollen. Dies bedeutet eine durchschnittliche Investition von 90 000 Franken pro Liegenschaft, um obige Ziele zu erreichen.

Nicht alle Liegenschaftsbesitzer können es sich jedoch leisten, diese Investition zu stemmen, auch wenn dies durchaus rentabel sein könnte.

Derzeit zahlt der Bund an Photovoltaikanlagen auf Liegenschaften Fördergelder in Höhe von 600 Millionen pro Jahr aus. Dies als «à-fonds-perdu»-Beiträge, sprich einmalige Zahlungen, die nicht rückzahlbar sind. Allerdings ist es für viele Hausbesitzer trotz der Fördergelder schwierig, die Investitionen aufzubringen, auch wenn die Energiestrategie des Bundes genau auf die Initiative dieser Eigenheimbesitzer dringend angewiesen wäre. Möglicherweise wäre es zielführender und günstiger, anstelle dieser Fördergelder zinslose Hypotheken zur Verfügung zu stellen, welche zweckgebunden für die Installation von Solaranlagen verwendet werden müssten. Wie dies geht, haben die Corona-Kredite gezeigt, die aus dem Nichts innert Tagen erfunden und ganz einfach über die jeweilige Hausbank abgewickelt wurden. Geht man davon aus, dass von den 80 Milliarden fünf Prozent in den nächsten 25 Jahren nicht zurückbezahlt würden, käme dies trotzdem viel günstiger als die aktuellen 600 Millionen pro Jahr. Vielleicht eine Idee, welche die Politik mal überdenken sollte.

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